Goethe, Humboldt & Co
Es ist heute schwer vorstellen, wie die Männer und Frauen haben im 18. und 19. Jahrhundert geschrieben. Sie verbrachten täglich mehrere Stunden, ihre Korrespondenz zu lesen und Entwürfe von Antworten zu verfassen, manchmal diktierten sie diese Antworten, machten Kopien und führten so zahlreiche parallele Korrespondenzen aller Art : Briefwechsel mit den Familienangehörigen, Freunden, Geliebten, Intellektuellen, Buchhaltern oder beruflichen Partnern.
Einzelheiten der Mappe aus Karton, die enthält die Briefen von Goethe und seinen Korrespondenten, Ms. 4.983.
Die Korrespondenz von Goethe ist in seiner Zeit eingebettet und zeugt von des reichen Austausches, des Netzes von Freunden und Interessen des Schriftstellers. In ihrer Bestand der Manuskripten, die Bnu besitzt mehrere Sätze von eigenhändig geschriebenen Briefen an Goethe oder von seinen Verwandten. Zu Goethes verschiedenen Briefpartnern gehörte ein Freund von Köln : Sulpice Boisserée. Er hatte seine Begeisterung für die Kunst des Mittelalters, erstmals vor dem Strassburger Münster. Weitere handgeschriebene Briefe stammen von Christian August, dem Sohn des Dichters, Ottilie, seiner Schwiegertochter, und auch Carl August von Sachsen-Weimar, Goethes Beschützer, Arbeitgeber und Freund.
Andere Briefe zeugen vom geistigen und professionellen Austausch mit dem Philosophen Herder, Alexander von Humboldt, dem Naturforscher und Entdecker Amerikas, dem genialen Schauspieler Iffland, Johann Georg Jacobi, dem Dichter aus Freiburg im Breisgau, August von Kotzebue, Theaterautor und Schriftsteller, oder Johann Caspar Lavater, Theologen und auch Schriftsteller von einem namhaften Buch seiner Zeit L’Art de connaître les hommes par la physionomie.
Autografischer Brief von Ottilie von Goethe an M. Seintner, Stuttgart, Ms.5052, Blatt.
In diesem Satz von Briefen : der Entwurf eines Aufsatzes von Goethe mit eigenhändig geschriebenen Korrekturen. Am Seitenrand, wir finden vor allem die Hinweise von Goethe für den Drucker, z. B. der Hinweis « deutlich machen », auch die Korrekturen des Aufsatzes selbst im Hauptteil des Textes. Es handelt einen wissenschaftlichen Artikel mit dem Titel : « Ritter Ciccolini in Rom an Baron v. Zach in Genua » [1] Ludovico Maria Ciccolini, ein Ritter des Malteserordens, war ein italienischer Mathematiker, Professor für Astronomie und Direktor der Sternwarte Rom.
Goethe übersetzte den Brief von Ciccolinis, veröffentlicht in Correspondance astronomique [2] und widmete ihm zunächst einen Textabschnitt in seinem Tagebuch vom 27. März 1826, bevor er diesen Text in seinem Aufsatz « Über Mathematik und deren Missbrauch » veröffentlichte. In Goethes Augen ist Ciccolini ein Verfechter der angewandten Mathematik, gegen eine « unnötig komplizierten » Mathematik, weil eine Erklärung, der Beobachter ablenkt vom Verständnis der Naturphänomene. [3] Rudolf Steiner, der wissenschaftliche Herausgeber dieses Bandes von Goethes Schriften, verstand eine globale Reflexion über « die Grenzen der Anwendbarkeit der Mathematik » [4].
Aufsatz von Goethe « Chevalier Ciccolini à Rome au Baron von Zach à Gênes », Ms.4.983, Blatt 1.
Ein Blatt schnell eigenhändig geschriebenen von Alexander von Humboldt (nebenstehend, Ms.4.983, Blätter 14-15) :
« Eure Exzellenz, so voller Nachsicht für einen alten Mann, ein ehemaliger Reisender von Orinoco und Irtysch, wird sich herablassen für ein paar Augenblicke mit Freundlichkeit, die Person, die es wage, seinen hohen Schutz zu empfehlen. Herr Rifaud aus Marseille, der 13 Jahre Oberägypten und Nubien verbrachte, um dort Ausgrabungen zu leiten […] ».
Im 18. und 19. Jahrhundert waren die Empfehlungensschreiben der Schlüssel, um der (guten) Gesellschaft für jeden Fremden oder Reisenden zu beitreten. Vor seiner Abreise war es unerlässlich, sich den Schutz und die Empfehlung einiger Bekannter und Persönlichkeiten zu sichern. Das Allererste zu tun, bei der Ankunft am Bestimmungsort, waren diese Besuche mit den besagten Empfehlungensschreiben zu machen. Wenn der Eindruck des ersten Besuches gut war, gab an Anlass zu weiteren Einladungen und Einleitungen für den Ankommenden im Kreis von freundlichen, wissenschaftlichen oder beruflichen Bekannten.
Hier ist es recht interessant zu beobachten, wie Humboldt sich selbst schildert. Die Ausdrücke « ein alter Mann, ehemals ein Reisender von Orinoco und Irtysch » widerspiegeln sowohl seine wichtigsten Reisen und die ironischen Bemerkung seines Alters und seiner auferlegten Grenzen. Die Persönlichkeit und der Werdegang der Person, die Humboldt Goethe empfiehlt, sind sehr eigenartig. Jean-Jacques Rifaud, Sohn eines aus Marseille stammenden Handwerkers, wurde zum Bildhauer ausgebildet [5]. Während seines Einberufung in Spanien 1807 (Militärdienst), desertierte er und besuchte die Anrainerstaaten des Mittelmeers. Im Jahr 1813 reiste Jean-Jacques Rifaud nach Ägypten und unternahm dort Ausgrabungen. An der Stätte von Theben hatte Riffaut von1816 bis 1823 die grösste Anzahl an Objekten, Skulpturen und Denkmälern zu Tage zu bringen. Er wird Ausgrabungen und Erkundungen im Nildelta in Unterägypten, in der Region von Damiette, sowie an der Stätte des antiken Tanis fortsetzen. Er wird zwei grosse Sphinxen aus rosafarbenem Granit freilegen, die heute im Louvre bewahrt sind. [6]
Rifaud entschied sich daraufhin, nach Europa zurückzukehren, um die Mittel für die Veröffentlichung seines Opus Magnum aufzubringen : le Voyage en Égypte, en Nubie, et lieux circumvoisins in fünf Bänden mit 300 Tafeln. Auf der Suche nach Subskribenten wird er in ultra-royalistischen Kreisen gut aufgenommen, wie Humboldt in seinem Brief an Goethe durch die Formulierung « Herr Rifaud […], dem der alte Zweig der Bourbonen ganz wohlgesonnen ist » andeutet. Die Revolution von 1830 wird seine Bemühungen ruinieren, weil seine Subskribenten hatten zerstreut, aber nach zwanzig Jahren, um die Veröffentlichung der Voyage en Egypte zu garantieren, er hatte versucht, neue Subskribenten in England, Russland, Frankreich, Holland, Deutschland und Belgien zu finden. Trotz seiner Bemühungen wird der Druck der Tafeln vor dem Ende eingestellt und die Bände des Reiseberichts werden nie mehr veröffentlicht. Rifauds Besuch bei Goethe muss in diesem Zusammenhang gesehen werden, ebenso wie er dem russischen Zaren Nikolaus I. einen dedizierten Exemplar überreichte, weil hoffte er zweifellos, in Goethe eine einflussreiche Persönlichkeit zu finden, um neue Impulse seinem Verlagsprojekt zu geben. Diese Hoffnung wurde offensichtlich enttäuscht, und Humboldt, der Goethes intellektuelle Neugier kannte, wusste, dass die Geschichten eines Ägyptenreisenden das Interesse des Schriftstellers wecken und den gewöhnlichen Tagesablauf für eine Zeit lang aufhellen würden, wenn ihn diese Anfragen des Besuchers auch stören würden.
[1] Fragment, veröffentlicht in Goethes Werke, II. Abt., 11. Band, Weimar, Böhlau, 1893, S. 89-90.
[2] Correspondance astronomique 14, 1828, S. 53-72.
[3] Gabriele Busch-Salmen, Manfred Wenzel, Andreas Beyer, Ernst Osterkamp, Goethe-Handbuch, Nachträge, 2. Band : Naturwissenschaften, III Lexikon, S. 355-356.
[4] Rudolf Steiner (Vlg.), Goethes Werke, II. Abt., 11. Band, Weimar, Böhlau, 1893, S. 326.
[5] Paul Masson, Henri Barré, Les Bouches-du-Rhône. Encyclopédie départementale, 11. Band, Les Biographies, S. 474-476, Archives départementales des Bouches-du-Rhône, Marseille, 1913.
[6] Marie-Cécile Bruwier, Wouter Claes et Arnaud Quertinmont (dir.), « La Description de l’Égypte » von Jean-Jacques Rifaud (1813-1826), Bruxelles, 2014.
Autor : A. Therstappen
Bibliothèque nationale et universitaire de Strasbourg
Autographes de Goethe et de ses contemporains, Ms.4.983
Autographes de Goethe, de sa famille, de ses contemporains et de ses biographes, Ms.5052